Samstag, 4. August 2018

Ich muss mal meckern...

Die Quereinsteiger sind nicht Schuld an der Misere in der sich die Schullandschaft befindet!
Wenn ich höre, dass in einigen Schulen über die Quereinsteiger gemeckert wird und wie unfair es doch sei, kann ich nur sagen: Ja sicher. Aber stellt euch vor es gäbe die Quereinsteiger nicht. Wenn ich sehe, was passiert, wenn bei uns mal einer krank ist, dann bin ich dankbar, dass in meiner Schule "nur" eine Lehrerstelle unbesetzt ist. In anderen Schulen sind es 7 oder mehr. Wie man da überhaupt noch arbeiten kann, ohne sich kaputtzumachen, weiß ich nicht. Da gib es keine Doppelsteckungen mehr, auch nicht in den jahrgangsübergreifenden Klassen, da gibt es keine integrations- oder Förderstunden mehr und alle müssen die Stunden ausreizen, die man als unbezahlte Überstunden machen muss... Da sollte man doch froh sein, wenn da ein Quereinsteiger steht, selbst wenn der Schwellenpädagogik macht.

Übrigens sind in meinem Hauptseminar die besten Abschluss Noten bei Quereinsteigern gelandet. Und die Prüfungen und Anforderungen waren die gleichen. Was daran liegt, denke ich, dass die Quereinsteiger in den entsprechenden Fachgebieten nicht nur mehr Wissen haben (NaWi im Lehrerstudium kann nicht mit einem Vollzeit NaWi-Studium konkurrieren. Muss es ja eigentlich auch nicht, nur wenn es um den Stoff geht, sind die Quereinsteiger im Vorteil), sondern auch noch praktische Anwendungserfahrung. Entsprechend fällt es den meisten leichter, dies in der Schule anzubringen und den Unterricht verständlich und handlungsorientiert zu gestalten.

Und ja, es fehlt komplett an der Pädagogik und an der Didaktik Ausbildung und man hat keinerlei Idee, was da sonst noch so auf einen zukommt. Ich habe in der Zeit genauso viele "echte" Lehramtsstudenten erlebt, die mit dem Beruf nicht klargekommen sind, wie Quereinsteiger. Denn Lehrer werden ist in der Tat nicht sehr schwer (im Moment), Lehrer sein hingegen sehr... Es ist ein Beruf, der vielfältige Aufgaben mit sich bringt: Unterrichtsvorbereitung (wieviel Stoff passt in eine Stunde, wie erklär ich es, damit die Schüler verstehen, was müssen sie schaffen, was gebe ich Kindern die früher fertig sind und was mach ich mit meinem Inklusionskind?), Elterngespräche (von fordernd, über anschuldigend, bis zu verzweifelt kann alles vorkommen und man muss dem höflich gegenüber stehen, auch wenn einige Eltern frech werden), Dienstbesprechungen, Projekte (je nach Themengebiet einfach zu bedienen oder – wenn es einem nicht liegt – schwer), Wandertage, Klassenfahrten, Theateraufführungen der Schule, Klassenarbeiten vorbereiten und korrigieren etc. Es ist sehr viel, was der Beruf mit sich bring und ich war da definitiv nicht drauf vorbereitet.
Denn das Lehrerbild, was man so hat, ist falsch.

Damit komme ich zu den Ferien. Ferien? Hatte ich in den 3 Jahren, die ich jetzt dabei bin genau 2 Wochen. Und damit meine ich Zeit, die ich gedanklich und praktisch nicht mit Schule verbringe. Eben Ferien. In allen anderen Jobs hatte ich mehr Ferien und auch mehr Freizeit. Ich hatte Wochenenden, die frei waren. Das hab ich jetzt alles nicht mehr.

Übrigens, was auch vielen nicht klar ist, wenn ein Lehrer mit seiner Klasse auf Klassenfahrt fährt ist das nicht nur Arbeit, sondern auch Mehrarbeit. Denn in welchem Beruf ist man tagelang 24h auf Arbeit? Eine Klasse mit 30 Kindern im Schullandheim muss betreut werden, wenn sich wer wehtut muss er versorgt werden, wenn jemand streitet muss der Streit geschlichtet werden, wenn jemandem langweilig ist, muss für Abhilfe gesorgt werden, wenn jemand nicht schlafen kann, muss geholfen werden, wenn jemand Heimweh hat, wenn jemand krank ist, wenn was kaputt gegangen ist, wenn was nicht schmeckt, wenn was nicht klappt, wenn jemand vor etwas Angst hat, etc. etc. etc. Das ist kein Urlaub. Das ist Arbeit. Und wenn die nicht gut vorbereitet ist und man viel zu tun hat langweilen sich die Kinder und dann wird es schlimm. Und das ist Arbeit die man 24 Stunden tut, denn die Kinder machen gerne mal durch, oder können nicht schlafen etc.  Und die Klassenfahrt muss geplant werden und bezahlt werden. Und bezahlt wird sie nicht direkt von Eltern, sondern der Lehrer darf erstmal sammeln und was, wenn Eltern nicht zahlen? Ob aus Vergesslichkeit, Geldnot oder einfach Desinteresse? Dann darf der Lehrer aus eigener Tasche vorschießen. Entsprechend empfinde ich die Forderungshaltung einiger Eltern als Frechheit. Man kann höflich und freundlich fragen, aber zu kommen und zu verlangen, führt dazu, dass ich noch weniger Lust darauf habe.

Gut. Um auf die Quereinsteiger zurückzukommen, ich bin mir sicher, dass „echte“ Lehramtskandidaten eine bessere Idee davon haben, was auf sie zukommt. Und dennoch gibt es auch da welche, die eher ungeeignet sind und rechtzeitig aufhören. Ist im Leben so. Manchmal sucht man sich das richtige aus und manchmal eben nicht. Und wer sein Leben mag, sucht sich etwas anderes. Und wer weitermacht und unglücklich wird, kommt in eine Teufelsspirale, da der Unterricht und der Rest immer anstrengender wird, je unglücklicher man ist und das macht noch unglücklicher. Und zumindest für mich ist der feste Job da kein Argument. Übrigens ist man in Berlin Angestellter und nicht Beamter und insofern ist der Job auch nicht sooo sicher, dass ich einen Burnout riskieren möchte. Denn als angestellter Lehrer kann man auch nur (ich glaube es sind) 3 Monate bezahlt im Krankenstand sein. Beamte können ja (soweit mir berichtet wurde) ein Jahr bezahlt krank sein.

Übrigens sind Quereinsteiger mit 2. Staatsexamen für Lehrer nicht mehr Quereinsteiger. Entsprechend wurde ich in meiner Schule ganz normal eingesetzt, wie alle anderen auch. Den Anfänger Bonus habe ich nicht mehr. Allerdings darf ich natürlich fragen, wenn mal wieder irgendwas passiert ist, was ich noch nicht hatte. Und meine Kollegen geben dann auch gerne Tipps.

So genug gemeckert.

Als Anmerkung für alle, die überlegen Lehrer zu werden: Ich bin mittlerweile wieder aktiv auf Jobsuche, denn ich möchte nicht den Rest meines Lebens in einem Job verbringen, dem ich so wenig positive Gefühle entgegenbringe. Und auf Grund der Aussagen meiner Schüler, einiger Eltern und meiner Kollegen gehe ich davon aus, dass ich meinen Job gut mache! Ich bin nicht inkompetent. Aber ich bin nicht glücklich.

Bin ich froh aus der Situation - einen festen Job zu haben - mich herausbewerben zu können? Ja. Aber dabeibleiben möchte ich dauerhaft trotzdem nicht…