Samstag, 6. März 2021

Ich habe aufgegeben und bin jetzt glücklicher...

Nachdem mein letzter Post etwas zurückliegt, kommt nun ein letztes Update zum Thema Quereinstieg.

 Vor zwei Jahren hatte ich eine kurze positive Phase, die sich aber sehr schnell aufgelöst hat. Mein Schulleiter hat über alle Köpfe hinweg entschieden, dass ich jetzt mal ran muss. Es gab zu dem Zeitpunkt eine Klasse in der Schule, in der die meisten Lehrer nicht unterrichten oder vertreten wollten. Interessanterweise waren es 21 Mädchen und nur 9 Jungen. Man würde jetzt erwarten, dass die Klasse angenehm zu unterrichten sei, da es so viele Mädchen sind. Leider, ob nun zu Recht oder nicht, haben sich von diesen 9 Jungen 6 schlecht behandelt gefühlt "Immer bekommen die Mädchen in allem Recht!". Diese Jungs fingen an andere zu mobben und liefen völlig aus dem Ruder. Der Schulleiter hat auf meine Beschwerden nicht reagiert, ich musst wöchentlich mit mindestens einem Elternpaar reden. Kinder haben Unterricht geschwänzt, mein Schulleiter zog keine Konsequenzen, die Kinder haben ihren Eltern die Hucke voll gelogen und nix hat geholfen. Weder der Klassenrat, der erstaunlich gut funktioniert hat, noch das Buddy System, für die die gemobbt wurden. Der Antimobbing Workshop nicht und der Workshop zum besseren Zusammenhalt nicht. Das gemeinste war, das die Klasse bei mir gut lief. Unterricht, Gruppenarbeiten etc. alles ohne Probleme. Nur wenn sie Kunst, Musik, Religion oder Sport hatten, war der Tag hinterher gelaufen. Die Lehrer in diesen Fächern haben die Klasse nicht in den Griff bekommen. Und sind nach und nach krank geworden. Und keiner wollte vertreten.

Pin auf Health (yoga, herbs, etc.) 

Bruce Plante  Chattanooga Times Free Press

 Und ich bin langsam ausgebrannt, hatte morgens Schwierigkeiten mich zu motivieren, wollte die "guten" Tipps der nichtbetroffenen Lehrer nicht mehr hören. Konnte die Elterngespräche nicht mehr ertragen, hatte Dauersodbrennen, hab mich von Freunden und Familie zurückgezogen, von denen auch kein Verständnis kam. Und wollte nur noch raus aus der Situation. Ich habe plötzlich Mittagsschlaf gehalten, was ich noch nie gemacht habe. Ich habe gefressen und gefressen und 15 Kg zugenommen. Und war unglücklich. Dann habe ich einen Anti-Burn Out Kurs gemacht.

 Das Resultat war, das ich nicht nur von der Arbeit her unglücklich war, sondern auch mit meiner Wohnsituation. Mitten in der Stadt, wenig grün, an einer großen Straße, an der die Polizei regelmäßig vorbeifuhr, da hier häufig Clans aneinander gerieten und viel Kriminalität herrschte. Ich hatte also zu Hause und auf der Arbeit Situationen, die ungesund waren.

Burnout 

https://www.monkeyuser.com/2019/burnout/

 Nachdem mir das klar wurde habe ich beschlossen, das ich etwas ändern muss. Ich habe mir als erstes eine neue Wohnung gesucht. Etwas kleiner, kein Balkon, aber dafür in einem Hinterhof mit viel grün, in einer wunderbaren Gegend, in der man auch abends noch unbesorgt spazieren gehen kann.

 Dann war ich beim Arzt und hab mich in die Psychotherapie überweisen lassen. Die Therapeuten meinte, alles was ich erzählt habe, hat sie schon von anderen Lehrern gehört und dass es von Jahr zu Jahr zunimmt. Und Sie hat mich bestärkt, einen neuen Job zu suchen. Das habe ich getan. Und nun zwei Jahre später, kann ich wieder Freude empfinden. Mir geht es viel besser, ich muss nicht mehr dauernd schlafen, ich treffe mich wieder mit Freunden, habe Spaß an der Arbeit. Ich freu mich wenn die Sonne scheint und ein neuer Tag beginnt. Mir geht es nun besser.

 

 Und allen Lehrern da draußen, die sich immer noch über die Quereinsteiger ärgern:

  1.  Es gibt so‘ne und solche. Vielleicht ist bei euch jemand faules oder inkompetentes. Das sind aber nicht alle. In meinen Seminaren gab es ebenso inkompetente studierte Lehrer wie bei den Quereinsteigern.
  2. Ohne die Quereinsteiger würde es momentan schlimm ums Schulsystem stehen. Ja die Quereinsteiger haben nicht studiert, ja das ist etwas ungerecht, aber es waren nicht die Quereinsteiger, die die Stellenplanungen über die Jahre verpatzt haben, die das Schulsystem immer weiter runtergewirtschaftet haben, dass immer weniger Leute Lehramt studieren wollten. Es waren nicht die Quereinsteiger, die den Senat dazu gebracht haben sie einzustellen. Die meisten Quereinsteiger haben eine Chance gesehen und sie ergriffen. Die meisten Quereinsteiger tun ihr Bestes um den Job gerecht zu werden.
  3. Und alle Quereinsteiger sind Menschen mit Gefühlen. Es bringt niemandem etwas, wenn die alteingesessenen Lehrer ihren Ärger an ihnen auslassen, sie mobben, ihnen nicht helfen und vor ihnen zeigen, dass sie in ihren Augen minderwertig sind. Ohne die Quereinsteiger müsstet ihr mehr vertreten in Klassen, die nur noch wenig durchgeplanten Unterricht hatten und somit meistens wenig Disziplin. Ihr müsstet euch mehr mit deren Eltern rumschlagen, über euch würden negative Artikel geschrieben und die Lehrerzimmer würden teilweise leer aussehen.

Ich hoffe für alle, dass sich bald etwas ändert. Mehr Lehrer, weniger Pflichtstunden, Arbeitszeitzählung, damit nicht mehr 60 sondern tatsächlich nur 40h gearbeitet werden müssen, mehr  Hilfe für die Inklusion, mehr Hilfe für die Schüler, mehr Zeit für die Schüler, mehr Zeit für tollen Unterricht, in dem auch mal was ausprobiert werden kann. Weniger Sonderaufgaben, weniger unnötige Bürokratie, weniger Ärger mit der Personalabteilung vom Senat, Eltern, die Verständnis zeigen und auch mal den Lehrern glauben, Schüler, die mehr Spaß in der Schule haben und zu besseren Menschen später werden.

Ich bin raus und froh darüber. Aber ich fühle mit jedem Lehrer mit – ob studiert oder quer eingestiegen – der noch im Beruf ist und sein Bestes gibt. Mein Respekt. 

Cartoon-Comic-Karikatur: Leben nach dem Tod - Roth-Cartoons (DE) 

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