Die Quereinsteiger sind nicht Schuld an der Misere in der sich die Schullandschaft
befindet!
Wenn ich höre, dass in einigen Schulen über die Quereinsteiger gemeckert
wird und wie unfair es doch sei, kann ich nur sagen: Ja sicher. Aber stellt
euch vor es gäbe die Quereinsteiger nicht. Wenn ich sehe, was passiert, wenn
bei uns mal einer krank ist, dann bin ich dankbar, dass in meiner Schule
"nur" eine Lehrerstelle unbesetzt ist. In anderen Schulen sind es 7
oder mehr. Wie man da überhaupt noch arbeiten kann, ohne sich kaputtzumachen, weiß
ich nicht. Da gib es keine Doppelsteckungen mehr, auch nicht in den
jahrgangsübergreifenden Klassen, da gibt es keine integrations- oder
Förderstunden mehr und alle müssen die Stunden ausreizen, die man als
unbezahlte Überstunden machen muss... Da sollte man doch froh sein, wenn da ein
Quereinsteiger steht, selbst wenn der Schwellenpädagogik macht.
Übrigens sind in meinem Hauptseminar die besten Abschluss Noten bei Quereinsteigern
gelandet. Und die Prüfungen und Anforderungen waren die gleichen. Was daran
liegt, denke ich, dass die Quereinsteiger in den entsprechenden Fachgebieten
nicht nur mehr Wissen haben (NaWi im Lehrerstudium kann nicht mit einem
Vollzeit NaWi-Studium konkurrieren. Muss es ja eigentlich auch nicht, nur wenn
es um den Stoff geht, sind die Quereinsteiger im Vorteil), sondern auch noch
praktische Anwendungserfahrung. Entsprechend fällt es den meisten leichter,
dies in der Schule anzubringen und den Unterricht verständlich und
handlungsorientiert zu gestalten.
Und ja, es fehlt komplett an der Pädagogik und an der Didaktik Ausbildung
und man hat keinerlei Idee, was da sonst noch so auf einen zukommt. Ich
habe in der Zeit genauso viele "echte" Lehramtsstudenten erlebt, die
mit dem Beruf nicht klargekommen sind, wie Quereinsteiger. Denn Lehrer werden
ist in der Tat nicht sehr schwer (im Moment), Lehrer sein hingegen sehr... Es
ist ein Beruf, der vielfältige Aufgaben mit sich bringt:
Unterrichtsvorbereitung (wieviel Stoff passt in eine Stunde, wie erklär ich es,
damit die Schüler verstehen, was müssen sie schaffen, was gebe ich Kindern die
früher fertig sind und was mach ich mit meinem Inklusionskind?),
Elterngespräche (von fordernd, über anschuldigend, bis zu verzweifelt kann
alles vorkommen und man muss dem höflich gegenüber stehen, auch wenn einige
Eltern frech werden), Dienstbesprechungen, Projekte (je nach Themengebiet
einfach zu bedienen oder – wenn es einem nicht liegt – schwer), Wandertage,
Klassenfahrten, Theateraufführungen der Schule, Klassenarbeiten vorbereiten und
korrigieren etc. Es ist sehr viel, was der Beruf mit sich bring und ich war da
definitiv nicht drauf vorbereitet.
Denn das Lehrerbild, was man so hat, ist falsch.
Damit komme ich zu den Ferien. Ferien? Hatte ich in den 3 Jahren, die ich
jetzt dabei bin genau 2 Wochen. Und damit meine ich Zeit, die ich gedanklich
und praktisch nicht mit Schule verbringe. Eben Ferien. In allen anderen Jobs
hatte ich mehr Ferien und auch mehr Freizeit. Ich hatte Wochenenden, die frei
waren. Das hab ich jetzt alles nicht mehr.
Übrigens, was auch vielen nicht klar ist, wenn ein Lehrer mit seiner Klasse
auf Klassenfahrt fährt ist das nicht nur Arbeit, sondern auch Mehrarbeit. Denn
in welchem Beruf ist man tagelang 24h auf Arbeit? Eine Klasse mit 30 Kindern im
Schullandheim muss betreut werden, wenn sich wer wehtut muss er versorgt
werden, wenn jemand streitet muss der Streit geschlichtet werden, wenn jemandem
langweilig ist, muss für Abhilfe gesorgt werden, wenn jemand nicht schlafen
kann, muss geholfen werden, wenn jemand Heimweh hat, wenn jemand krank ist, wenn
was kaputt gegangen ist, wenn was nicht schmeckt, wenn was nicht klappt, wenn
jemand vor etwas Angst hat, etc. etc. etc. Das ist kein Urlaub. Das ist Arbeit.
Und wenn die nicht gut vorbereitet ist und man viel zu tun hat langweilen sich
die Kinder und dann wird es schlimm. Und das ist Arbeit die man 24 Stunden tut,
denn die Kinder machen gerne mal durch, oder können nicht schlafen etc.
Und die Klassenfahrt muss geplant werden und
bezahlt werden. Und bezahlt wird sie nicht direkt von Eltern, sondern der
Lehrer darf erstmal sammeln und was, wenn Eltern nicht zahlen? Ob aus Vergesslichkeit,
Geldnot oder einfach Desinteresse? Dann darf der Lehrer aus eigener Tasche vorschießen.
Entsprechend empfinde ich die Forderungshaltung einiger Eltern als Frechheit.
Man kann höflich und freundlich fragen, aber zu kommen und zu verlangen, führt
dazu, dass ich noch weniger Lust darauf habe.
Gut. Um auf die Quereinsteiger zurückzukommen, ich bin mir sicher,
dass „echte“ Lehramtskandidaten eine bessere Idee davon haben, was auf sie
zukommt. Und dennoch gibt es auch da welche, die eher ungeeignet sind und rechtzeitig aufhören. Ist im
Leben so. Manchmal sucht man sich das richtige aus und manchmal eben nicht. Und
wer sein Leben mag, sucht sich etwas anderes. Und wer weitermacht und
unglücklich wird, kommt in eine Teufelsspirale, da der Unterricht und der Rest
immer anstrengender wird, je unglücklicher man ist und das macht noch
unglücklicher. Und zumindest für mich ist der feste Job da kein Argument.
Übrigens ist man in Berlin Angestellter und nicht Beamter und insofern ist der
Job auch nicht sooo sicher, dass ich einen Burnout riskieren möchte. Denn als
angestellter Lehrer kann man auch nur (ich glaube es sind) 3 Monate bezahlt im
Krankenstand sein. Beamte können ja (soweit mir berichtet wurde) ein Jahr bezahlt
krank sein.
Übrigens sind Quereinsteiger mit 2. Staatsexamen für Lehrer nicht mehr
Quereinsteiger. Entsprechend wurde ich in meiner Schule ganz normal eingesetzt,
wie alle anderen auch. Den Anfänger Bonus habe ich nicht mehr. Allerdings darf
ich natürlich fragen, wenn mal wieder irgendwas passiert ist, was ich noch
nicht hatte. Und meine Kollegen geben dann auch gerne Tipps.
So genug gemeckert.
Als Anmerkung für alle, die überlegen Lehrer zu werden: Ich bin mittlerweile
wieder aktiv auf Jobsuche, denn ich möchte nicht den Rest meines Lebens in
einem Job verbringen, dem ich so wenig positive Gefühle entgegenbringe. Und auf Grund der Aussagen meiner Schüler, einiger Eltern und meiner Kollegen gehe ich davon aus, dass ich meinen Job gut mache! Ich bin nicht inkompetent. Aber ich bin nicht glücklich.
Bin ich
froh aus der Situation - einen festen Job zu haben - mich herausbewerben zu
können? Ja. Aber dabeibleiben möchte ich dauerhaft trotzdem nicht…